Die Ausstellung Der Titel erweckt Erwartungen. Man ist versucht, zur Einstimmung das alte Kosmos-Bändchen von Hans Findeisen aus dem Regal zu ziehen, lässt die Gedanken schweifen vom Hubertushirsch über Totemtiere zu tiergestaltigen Göttern und Mithrasstier. Was wird man wohl Neues erfahren? Umso enttäuschender ist der erste Blick in den Ausstellungsraum. Tierdarstellungen aus den Kulturen aller Welt - das ja. Aber kein Wort über Jagd oder gar Kult. Doch halt ! - "gejagt und verehrt": der Titel wäre Programm nicht nur einer Ausstellung, ja selbst deren zehn wären wohl nicht genug, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Was könnte man allein aus der Kulturgeschichte - sagen wir - des Frosches für eine Ausstellung machen ! Vergessen wir also den ersten Teil des Titels, nehmen wir die Ausstellung als das, was sie ist: eine Schau von kleinen Meisterwerken der Tierdarstellung, eine Studiensammlung zur Perzeption des Tieres durch den Künstler. Und schon gibt es keine Enttäuschung mehr ob unerfüllter weil falscher Erwartungen. Auch die etwas eigenwilligen Gruppierung der Exponate stört nicht, die zwar irgendwie der zoologischen Systematik folgt, aber eben doch nicht so, wie sich dies ein Naturwissenschaftler erwartet. Die Tiere stehen im Vordergrund, nicht die Kulturen. Arten ähnlicher Lebensräume, aber auch ähnlicher Beziehungen zum Menschen sind zusammengefasst. Ausgewählte, vorwiegend dreidimensionale Darstellungen derselben Art (zum Teil auch aus Privatsammlungen) stehen nebeneinander und machen trotz aller Verschiedenheit die Gemeinsamkeiten der Menschen im Umgang mit dem Tier deutlich. Die Vitrinen sind voll, aber nicht überfüllt. Die Exponate erfreuen das Auge: Ich wollte keines von ihnen missen. Afrikanische Goldgewichte sind ebenso vertreten wie antike Gefässe mit Tierdekor, Meissener Porzellan, Münzen und japanische Farbholzschnitte. Über die Beschriftung kann man geteilter Meinung sein. Ich persönlich habe es nie als angenehm empfunden, anhand einer Nummer den zum Exponat gehörigen Text suchen zu müssen - besonders wenn er zu klein und ohne Abstände "in einer Wurst" geschrieben ist. Gottseidank wurde auf die Angabe von Inventarnummern verzichtet (auch das habe ich nie kapiert: warum für den Ausstellungsbesucher die Inventarnummer von Bedeutung sein soll). Die Texte sind in gutem, altem, augenfreundlichem schwarz-auf-weiss gehalten. Wer sich im östlichen Bodenseeraum aufhält, sollte sich dieses kleine, aber dennoch interessante Ausstellung auf keinen Fall
entgehen lassen Und ein Umweg nach St. Gallen lohnt sich allemal ! Der Katalog Der Ausstellungskatalog geht professionell auf die Bedürfnisse der Besucher ein. Ein abgehobenes, streng wissenschaftliches Werk darf man nicht erwarten. Er ist kein "Katalog" im übl(ich)en Sinne mit minutiöser Auflistung aller Exponate, und wird folgerichtig auch als "Handbuch zur Ausstellung" tituliert. Kurze, leicht verständliche Texte über die jahrtausendealte Beziehung zwischen Mensch und Tier und deren Wandel im Laufe der Zeit, über Tierspuren in der Literaturen der Welt, dazu Fotos von 64 ausgewählten Exponaten mit kurzen Erläuterungen lassen genügend Raum für eigene Gedanken. Daneben gibt es eine "Wegleitung für Lehrerinnen und Lehrer", wie sie in dieser Qualität selten zu finden ist. Über Comic-Figuren, Werbetiere und Sprichwörter werden die Kinder altersgerecht dazu gebracht, sich über die Rolle(n) der Tiere in unserer Kultur Gedanken zu machen. Es folgen eine Sammlung von Fabeln und Tiermärchen aus verschiedenen Weltkulturen sowie Beschreibungen von acht ausgewählten Tierarten (inklusive Fabeltiere) mit Angaben zu Herkunft, Lebensweise und Bedeutung für den Menschen. Erst der letzte Teil enthält Beobachtungsaufgaben, die in der Ausstellung zu lösen sind. Für engagierte Lehrer, die in einem Museumsbesuch mehr sehen als eine günstige Gelegenheit, zum Schulschluss Zeit totzuschlagen, stellt diese "Wegleitung" eine wertvolle Grundlage für den fächerübergreifenden, vernetzten Unterricht dar. Weiteres Informationsmaterial liegt in der Ausstellung als Einzelblätter zur freien Entnahme auf. Findeisen, H. (1958): Das Tier als Gott, Dämon und Ahne. Eine Untersuchung über das Erleben des Tieres in der Altmenschheit. - Kosmos Bändchen, Verlagsnr. 209: 80 S., Stuttgart (Franckh´sche Verlagshandlung).
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