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Requiem für einen Goldfisch

Stella : 2.v.r. - © Marco Evaristti / inatura  

Anmerkungen zur Zerstörung der Installation "Helena"
von Marco Evaristti

in der Eröffnungsnacht der Ausstellung
Zerstörte Welten und die Utopie der Rekonstruktion
Kunstraum Dornbirn
21. April bis 25. Juni 2006


von Georg Friebe
inatura - Erlebnis Naturschau, Dornbirn


 

Marco Evaristti provoziert. Marco Evaristti provoziert so sehr, dass manche glauben, nur noch mit Gewalt antworten zu können. Als "Gradmesser für die menschliche Dummheit" bezeichnete er bei der Presseführung seine Installation "Helena". Zehn Goldfische schwammen in jeweils einem funktionstüchtigen Mixer. "Wer auf den Knopf drückt, muss schon sehr dumm sein", meinte er. Denn das Wohl seiner Goldfische liegt ihm am Herzen.

Goldfisch Stella ist tot. Zerfleischt von einem Unbekannten. Durch einen Knopfdruck auf den Mixer, in dem Stella schwamm, entschied er über Leben und Tod. Der Täter blieb unbehelligt und befindet sich auf freiem Fuß. Die übrigen Fische wurden entführt. Ein "Goldfischkommando" wollte so mit dem Künstler in Dialog treten. Doch es kam anders.

Die Installation ist zerstört. Zerstört von einem Unbekannten. Noch in der Eröffnungsnacht hat er sich Zugang in den Ausstellungsraum verschafft, hat die Mixer am Boden zerschmettert. Der Beifall der Vorarlberger ist ihm sicher. Dem Künstler aber droht Lynchjustiz: Man solle ihn selbst in den Mixer geben, oder auf den Elektrischen Stuhl setzen. Und jeder Besucher darf entscheiden, ob er einschaltet.


Helena zerstört       Helena zerstört


Ein anonymer Vogel ist tot. Gesteinigt von einem Unbekannten. Sein Leichnam wurde im "Dornröschengarten" der inatura entdeckt. Am Betonbrocken neben dem Vogel klebten noch Federn. Kein Publikum war anwesend, keine Zeitung berichtete darüber. So blieben empörte Proteste aus. Die Herkunft des Betonbrockens ist unbekannt : Der Mord kann nicht von einem Helden des Tierschutzes durch Zerstörung des zugehörigen Gebäudes gesühnt werden.

Ein Zuchtfisch wurde ermordet. Spektakulär und mediengerecht zerhäckselt im Mixer : Die Wogen der Empörung branden hoch. Ein Singvogel wurde ermordet. Still und unspektakulär erschlagen mit einem Betonbrocken : Niemand interessiert sich dafür.

Zerstörte Natur ist Alltag. Zerstörte Natur ist so alltäglich, dass wir sie nicht mehr wahrnehmen. Im Gegenteil: Natur stört! Natur ist unerwünscht, wenn Familien ihre Existenz verlieren, weil [für] ein paar Hardcore-Natur- und Tierschützer von Links Aussen der Schutz von Flusskrebsen wichtiger ist, als ein Hochwasserdamm oder eine Flussvertiefung. Die Zerstörung von Natur, der Tod von Tieren wird zum Wohle der Menschen, wird im Interesse der Wirtschaft gefordert. Ein wenig Grün genügt, um eine heile Landschaft vorzutäuschen. Tiere? – Unnötig! Die Tierwelt ist gut getarnt, die Tiere sieht niemand. Ihr Fehlen fällt niemandem auf. Selbst wenn der Tod sichtbar wird: Ein geplätteter Igel, hunderte Quetschpräparate vom Frosch reissen niemanden mehr aus dem Fernsehsessel.

Zum Ausgleich rekonstruieren wir "Natur" in unseren Wohnzimmern. Degenerierte Zuchtfische, tierische Industrieprodukte sollen unsere Umgebung behübschen. Dekorativ müssen die Tiere sein, und pflegeleicht. Dann ist ihnen das Wohlwollen der Massen sicher. Ja, so ein Zuchttier ist um vieles wertvoller als ein Wildtier! Merkwürdige Emotionen werden sichtbar, kann man im Namen der Kunstfreiheit Tiere töten, und das in einem von Staat/Stadt/Land bezahlten Museum. Und nun plötzlich fragen sich die Massen: Gelten denn für diese Volldeppen keine Tierschutzgesetze?



Die Zitate (kursiv) stammen aus Lesermeinungen auf Vorarlberg Online (VOL).
Orthographie und Interpunktion wurden behutsam korrigiert.


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© MMVI by J. Georg Friebe
Dokument erstellt am 01.05.2006
georg.friebe@dornbirn.at