Abstract In 1985 a flood affected and partially destroyed the natural history collections of the Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck (Austria). During the war of 1992-1995 in former Yugoslavia the Zemaljski Muzej of Bosnia and Herzegovina was situated just 50 m from the front line which divided the city of Sarajevo. Both museums found their ways to cope with the catastrophe. It was the idea of Gerhard Tarmann (Innsbruck) to pass over these experiences to as many colleagues as possible. Thus in April 2001 an international congress on "Catastrophes and Catastrophe Management in Museums" was held in Sarajevo, where the damages of war were still present. Now at last the contributions fill a proceedings volume which was published by both museums jointly. The papers are written either in English, Bosnian or German, but in any case the abstract was translated into all three languages. Two main groups can be distinguished: The congress and the proceedings volume for the first time provided a platform for the museums of the Balkan nations to communicate their special situation in post-war "Yugoslavia" to an international audience of museums professionals. Although most reports concentrate on the events and damages during war, many of these contributions can also be regarded as a cry for help to the international museums community. The other papers give guidelines how to cope with disasters such as earth quakes, floods and fire, and how to rescue and restore the affected museums collections. It soon becomes evident, that a "golden rule" of catastrophe management cannot be presented. An individual emergency plan has to be developed for each museum giving account to the specific nature of both building and collection. The papers in this volume provide significant aid in fulfilling this task. And they remind you that it does not take a river to produce a flood: A broken water pipe can have quite the same effects! Die Vorgeschichte Am 6. August 1985 wurde die Sill - ein sonst gemütlicher Nebenfluss des Inns – nach heftigen Regenfällen zum reissenden Wildbach und überflutete Teile der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck. Den Wassermassen im Weg stand das Zeughaus, in dessen Kellerräumen die naturwissenschaftlichen Sammlungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum untergebracht waren. Als die Räume wieder betreten (oder besser: beschwommen) werden konnten, zeigte sich ein trauriges Bild: Die Tierpräparate waren in Schlamm gehüllt, die Herbarbelege völlig durchnässt, und gelegentlich schwamm ein Insektenkasten vorbei – meist in bedenklichem Zustand. Vieles war buchstäblich den Bach hinunter gegangen. Noch heute wird restauriert. In den Kriegsjahren 1992 bis 1995 lag das Bosnisch-Herzegowinische Landesmuseum (Zemaljski Muzej) nur 50 Meter neben der Front, die quer durch Sarajevo verlief und die Stadt teilte. Granat- und Bombentreffer waren unvermeidlich. Trotz der unmittelbaren Gefahr versuchten die verbliebenen Museumsmitarbeiter/innen, einen eingeschränkten Museumsbetrieb aufrecht zu erhalten und die Sammlungen zu schützen. Obwohl dem Museum das Schicksal der Nationalbibliothek erspart blieb (sie wurde sinnlos in Brand geschossen), waren die Schäden beträchtlich. In beiden Fällen konnte nur durch den selbstlosen Einsatz der Museumsmitarbeiter/innen ein noch grösserer Schaden verhindert werden. Der Kongress Als sich abzeichnete, dass die Sofortmassnahmen zur Rettung von Insektensammlung und Herbar erfolgreich waren, keimte in Sammlungskurator Gerhard Tarmann der Wunsch, seine Erfahrungen an möglichst viele Kolleginnen und Kollegen weiter zu geben. Gleichzeitig sollte anderen Museen die Möglichkeit geboten werden, zu zeigen, wie sie Extremsituationen meisterten. Mit Sarajevo, in dem die Kriegsschäden noch allgegenwärtig waren, war der logische Austragungsort des Kongresses gefunden. Von Anfang an stand die Veranstaltung unter dem Grundsatz "Hilfe zur Selbsthilfe". Möglichst viel sollte vor Ort organisiert werden, während aus Österreich – neben logistischer Hilfe – vor allem der finanzielle Input kam. Leider brachen kurz vor Kongressbeginn in einigen Provinzstädten erneute Unruhen aus, sodass nicht wenige Teilnehmer ihre Anmeldung stornierten bzw. stornieren mussten. Dennoch: Ich habe mich während des Kongresses in Sarajevo sicherer gefühlt als in mancher mitteleuropäischer Grossstadt! Gemäss dem Kongressthema konnten die Präsentationen zwei Grossgruppen zugeordnet werden: Zum einen hatten die Museen in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Yugoslawien – zum Teil erstmals – die Möglichkeit, vor einem internationalen Publikum von Fachkollegen auf ihre ganz spezielle Situation hinzuweisen. Zum anderen wurde anhand von Beispielen demonstriert und diskutiert, welche (Sofort-)Massnahmen im Katastrophenfall zu treffen sind. Eines hat der Kongress ganz klar gezeigt: Auch die besten Sicherheitskonzepte können Extremsituationen nicht verhindern. Von den Sofortmassnahmen hängt es ab, ob die Schäden begrenzt werden können. Egal, wie entmutigend der erste Eindruck sein mag: "The most important thing is to never give up!" (G. Tarmann in seiner Eröffnungsrede). Der Tagungsband Knapp vier Jahre nach dem Kongress liegen die Beiträge nun in gedruckter Form vor. Der Grund für die Verzögerung liegt nicht nur in technischen Kommunikationsschwierigkeiten mit den Balkanstaaten. Bereits während des Kongresses war Mehrsprachigkeit gefordert: Alle Vorträge wurden simultan übersetzt. Dieser Grundsatz wurde im Tagungsband beibehalten, der in Sarajevo gedruckt wurde. Deutsch, Englisch und die Balkansprachen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Eine Zusammenfassung in drei Sprachen ist selbstverständlich. Der Kongressband beinhaltet 32 Beiträge zu verschiedenen Katastrophenbereichen, wie Naturgewalten, z.B. Überschwemmungen (Argentinien, Österreich, Großbritannien, Polen), Erdbeben (Japan), und Krieg (Bosnien-Herzegowina, Kroatien). Artikel zum Thema Katastrophen-Management behandeln Rekonstruktionen und Entwicklungsprojekte (Kroatien, Slowenien), beschreiben Restaurierungsmethoden (Frankreich, Österreich), ebenso wie Schädlinge, die eine potentielle Gefahr bei provisorischer Lagerung der Sammlungen in unadäquaten Räumen und Kellern darstellen (Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Russland). Gewöhnungsbedürftig ist die Gliederung: Die Beiträge wurden nicht nach Sachthemen zusammengefasst, da dadurch die Gefahr einer Gewichtung bestanden hätte. Einziges Ordnungsprinzip ist somit der Nachname der Autoren in alphabetischer Reihenfolge. So stehen auch die beiden veranstaltenden Museen nicht an vorderster Stelle. Dass mehrere Beiträge über dasselbe Haus über den ganzen Band verteilt sind, ist eine notwendige Konsequenz. In einem der ersten Beiträge zeigt Jane Arthur, dass Katastrophen nicht zwangsläufig von aussen über ein Museum herein brechen müssen. Auch im Haus selbst lauern Gefahren, und Einrichtungen, die eigentlich im Ernstfall der Schadensminimierung dienen sollten, können zur Schadensquelle werden. Der Begriff "Quelle" konnte wörtlich genommen werden, als im Birmingham Museum and Art Gallery ein Feuer-Hydrant infolge von Korrosion brach. Etwa 80.000 Liter Wasser ergossen sich ins Museum. Im Stockwerk unmittelbar unter der Bruchstelle waren 281 Gemälde verwahrt – und das Wasser fand rasch seinen Weg durch die Decke. Jane Arthur beschreibt, wie diese Gemälde gerettet wurden, und welche Lehren aus dem Unfall gezogen wurden. Heute besitzt das Haus einen ausgefeilten Notfallplan. Brandschutzmethoden nehmen in jedem Notfallplan eine hervorragende Stellung ein. Jean-Marie Callas beschreibt, welche Empfehlungen und Richtlinien in Frankreich zu diesem Gefahrenbereich erarbeitet wurden. Das Modell berücksichtigt drei Aspekte besonders: 1.) die Schadensvermeidung, 2.) die Art der Brandbekämpfung und 3.) die Massnahmen zur Verringerung von Folgeschäden. Dass nicht nur unmittelbare Feuereinwirkung an einem Gemälde unbehebbare Schäden verursacht, demonstrieren Alain Columbini & Marie-Odile Kleitz. Sie untersuchten ein Gemälde, das bei einem Brand zwar von den Flammen verschont blieb, wohl aber der Hitze des Feuer ausgesetzt war. Schon allein die Austrocknung rief irreversible Veränderungen hervor. Die thermische Alteration sowohl von Farbpigmenten als auch Bindemittel trug zusätzlich zur Zerstörung des Gemäldes bei. Sie empfehlen, mit klassischen Feuerbekämpfungsmethoden in der Nähe des Brandherdes die Wärme zu dämmen und die Umgebungsluft abzukühlen. Wasser mag zwar am Brandherd ein geeignetes Mittel sowohl zu Feuerbekämpfung als auch zur Kühlung sein, in anderen Gebäudeteilen kann Löschwasser jedoch beträchtliche Schäden verursachen. Auch in diesem Fall lässt sich der Grundsatz anwenden, dem das Innsbrucker Team nach der Hochwasserkatastrophe folgte: Was tiefgefroren werden kann, kann auch gerettet werden. Die rasche und unbürokratische Hilfe eines Erzeugers von Tiefkühlkost ermöglichte in Innsbruck, etliche Tonnen wasserdurchtränkte Sammlungsgegenstände in einer Kühlhalle bei –35°C zu lagern, bis die Restaurierungsarbeiten durchgeführt werden konnten. Ohne diese Massnahme wären die Objekte verschimmelt und verrottet. Wie die Restaurierungsarbeiten an biologischem Material zeitsparend und dennoch effizient durchgeführt werden können, beschreiben Stefan Heim (Käfer) und Hans Schernthaner (Herbarium). Bei den Käfern stand eine Frage an erster Stelle: Können die Funddaten rekonstruiert werden? Durch das robuste Chitinskelett waren die weiteren Arbeitsschritte recht einfach: Reinigung der aufgetauten Käfer im Ultraschallbad mit einer speziellen Reinigungs- und Desinfektionsflüssigkeit, Trocknung und neuerliche Präparation, Etikettierung und Lagerung in staubdichten Insektenkästen. Die Herbarbelege hingegen wurden am Völkerkundemuseum Wien gefriergetrocknet und desinfiziert (was sich über mehrere Monate hinzog). Da sich die Trockenreinigung als zu zeitaufwendig erwies, wurde der Schlamm feucht entfernt und die Belege in einer speziellen Presse nochmals getrocknet. Danach konnten die Pflanzen auf neue Herbarbögen übertragen werden. Die Presse ist im Anhang beschrieben. Breiten Raum nehmen die Auswirkungen des Krieges in den Nachfolgestaaten Yugoslawiens ein. Es gibt kaum ein Museum, das nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Berichte, wie Museumsmitarbeiter/innen die Kampfhandlungen erlebten, während sie gleichzeitig versuchten, die Sammlungen zu retten, sind beeindruckend. Nicht jeder von uns würde in einem Museum bleiben, das 50 Meter neben der Front liegt oder das Luftangriffen auf ein nahe liegendes Ziel ausgesetzt ist. Wir können diesen selbstlosen Einsatz nicht genug würdigen. Dass zu Zeiten von Kampfhandlungen nur selten eine professionelle Schadensbegrenzung möglich ist, liegt auf der Hand. Zahlreiche Beiträge zeigen, wie inadäquate Lagerung die Kriegsschäden noch verstärkte. Sie sind gleichzeitig ein Hilferuf an die internationale Museumswelt, denn obwohl sich die Lage am Balkan stabilisiert hat, sind viele der dortigen Museen noch weit von einem Regelbetrieb, wie wir ihn kennen, entfernt. In diesem Sinne ist auch die Warnung von Marica Popic-Filipovic zu verstehen: Da in Bosnien-Herzegowina alle Kräfte auf den Wiederaufbau gerichtet sind, stehen weder finanzielle noch personelle Ressourcen für die Feldarbeit zur Verfügung. So besteht die Gefahr, dass die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in den (ethnologischen) Museen des Landes nicht dokumentiert wird. Ein Modell, wie zumindest im Bereich der Naturwissenschaften diese Lücke geschlossen und gleichzeitig ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen aufgebaut werden könnte, präsentiert Gerhard Tarmann unter dem Titel "Peace through Nature": Schulen, interessierte Amateure, Studenten und Wissenschaftler aller ethnischen Gruppen sammeln gemeinsam Pflanzen und Insekten für ihre eigene Naturaliensammlung, die an ihrem eigenen Nationalmuseum verwahrt wird und dort Spezialisten aus aller Welt zur Verfügung steht. Neben den finanziellen Mitteln (die von aussen kommen müssen) sind explosive Relikte aus den Kriegstagen (Minen, Blindgänger) wohl der grösste Hinderungsgrund für dieses Projekt. Dies sind nur kurze Streiflichter auf einzelne Artikel, die ohne Wertung beispielhaft heraus gegriffen wurden. Sie geben Anregungen, welche Massnahmen im Schadensfall zielführend sein können, präsentieren aber keine Standardrezepte. Jedes Museum ist selbst angehalten, seinen eigenen Notfallplan zu erstellen, der auf die ganz speziellen Gegebenheiten von Haus und Sammlung Bedacht nimmt. Denn eines wird beim Lesen dieses Bandes klar: Die "Insel der Seeligen" gibt es nicht, und sich im Irrglauben "bei uns kann nichts passieren" zurück zu lehnen, ist eine Fahrlässigkeit, die im Ernstfall bitter zu bezahlen ist. Der Kongressband kann sicher nicht für jede potentielle Bedrohung ein Allheilmittel liefern. Aber er zeigt auf, welche potentiellen Gefahren einem Museum drohen, welche (Sofort-)Massnahmen im Katastrophenfall sinnvoll sind, und wie durch rasches, aber dennoch bedachtes Handeln die Schäden in Grenzen gehalten werden können. Der Band sollte daher in keiner Museumsbibliothek fehlen.
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