Perseus und Andromeda


Andromeda war von nobler Herkunft. Kepheus, ihr Vater, war Sohn des äthiopischen Königs. Kassiopeia, ihre Mutter, war eine der schönsten Frauen der Erde. Und sie war stolz und eitel. Sie sei schöner als die Nereiden, verkündete sie lauthals. Kein Wunder, dass sie den Zorn dieser fünfzig schwarzäugigen Schönheiten des Meeres entfachte. Keinem geringeren als dem Gotte Neptun klagten die Nereiden ihr Leid. Für ihn bestand kein Zweifel: Seine Schützlinge sind die schönsten! Und eine Sterbliche, die dies infrage stellte, musste bestraft werden.

Wie immer, wenn Götter zürnen, reagierte auch Neptun mit massloser Übertreibung. Nicht Kassiopeia selbst musste büssen, sondern ihr Volk. Ein gräuliches Seeungeheuer sandte er aus, um Ufer und Land zu verwüsten. In der Not wurde das Orakel des Jupiter Ammon befragt. Und wieder traf der Ratschluss der Götter die Falsche. Nicht Kassiopeia, nein, deren Tochter Andromeda sollte dem Ungeheuer geopfert werden. Mit rückwärts gebogenen Armen wurde sie an einen Felsen gefesselt. So sollte sie das Untier erwarten.

Wo immer eine liebreizende Jungfrau von königlichem Geblüt in Gefahr ist, darf auch ein strahlender Held nicht fehlen, der sie errettet. Perseus, der gerade nichts besseres zu tun hat, entdeckt Andromeda in ihrer misslichen Lage. Ihm berichtet sie vom ungerechten Zorn des Gottes.

Sie hat kaum geendet, als schon das Untier heranrauscht. Verzweifelt sind die Eltern, doch Perseus bleibt cool. Er wüsste schon einen Ausweg, doch dann müsse die Jungfrau ihm gehören. Dies wird ihm versprochen, und die Hälfte des Reiches als Mitgift dazu.

Mit den Flügelschuhen, die ihm Merkur geliehen, flattert er dem Meeresdrachen entgegen. Aus seiner Tasche zieht er das schreckliche, schlangenbehaarte Haupt der Medusa. Bei dessen Anblick erstarrt das Untier zu Stein. Andromeda ist gerettet.

Guiseppe Cesari, genannt Cavaliere d´Arpino (1568-1640): Meerdrache, Andromeda bedrohend (1602) - KHMW Inv.Nr. 137 - Skizze © J. Georg Friebe  

Perseus hielt sich nicht lange mit Nebensächlichkeiten auf: Jetzt ward das Beilager gehalten (wie der Chronist nüchtern berichtet). Auf die Mitgift verzichtete er. Ein Nebenbuhler, dem Andromeda eigentlich versprochen war, wurde so nebenher auch noch versteinert. Kein Wunder, dass diese ihren Befreier anhimmelte! Perseus entführte sie in seine Heimat, wo sie ihm eine zahlreiche Nachkommenschaft schenkte.

Andromeda  

Ovid erzählt eine andere Version des Kampfes. Das Ungeheuer zu versteinern wäre wohl zu einfach und eines wahren Helden unwürdig gewesen. So flog er über das Untier, das prompt seinen Schatten bekämpfte. Schliesslich konnte er sich von hinten nähern und auf dem muschelbewachsenen Rücken des Drachen landen. Ein rascher und kräftiger Stich mit dem Schwert, und sein Feind wand sich vor Schmerzen. Immer wieder konnte Perseus nun das Ungeheuer mit Schwert verwunden. Doch dabei wurden seine Flügel nass – er drohte abzustürzen. Im letzten Augenblick klammerte er sich an eine Klippe und holte gleichzeitig zum letzten, entscheidenden Schlag aus. Drei- oder viermal rammte er dem Tier den Stahl in die Weichen.

Auf unserem Bild hat Perseus das Ungeheuer mit einem Speer durchbohrt. Seinen Umhang hat er dabei beinahe verloren, was Andromeda aber nicht sonderlich stört. Schliesslich ist auch sie unbekleidet. Dies war natürlich ein Entgegenkommen gegenüber dem Untier: Der Drache hätte sich kaum darüber gefreut, Andromeda samt Kleidern verspeisen zu müssen. Der Maler ist selbstverständlich über jeden Zweifel erhaben. Wie gerne hätte er ein sittlicheres Bild gemalt, aber diese antiken Quellen ...




Quellen

  • Moritz, K.Ph. (1791): Götterlehre der Griechen und Römer. - In neuer Bearbeitung herausgegeben von M. Oberbreyer; 314 S., Leipzig (Philipp Reclam jun.), o.J. [Vorwort datiert 1878].
  • P. Ovidius Naso (43 v. - 17 n. Chr.): Metamorphosen. - übertragen von M. v. Albrecht, Goldmann Klassiker Bd. 7513: 480 S., München (Wilhelm Goldmann Verlag), 1981/1988.
  • Vollmer (1874): Wörterbuch der Mythologie. 3. Aufl., LXX & 456 S., Stuttgart (Hoffmann'sche Verlagsbuchhandlung). - 7. Reprint 1990, Zentralantiquariat der DDR, Reprintverlag Leipzig; Ausgabe für Fourier Verlag, Wiesbaden.
  • [Ansichtskarte]: Salon de Paris - Sociéte Nationale des Beaux-Arts. G. Courtois, Pinxit. Persée délivrant Andromède. Perseus befreit Andromeda. Perseus délivering Andromeda. - ND Phot., Imprimeries Photographiques de Neurdein Frères à Paris: Karte Nr. 34 dt - undatiert.


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© MMII by J. Georg Friebe
Erstellt 09.06.2002