Die Versuchung
des Heiligen Antonius



Der Maler Otto Dix hatte seine eigenen Vorstellungen über die Versuchung des Heiligen Antonius. Sein farbenfrohes, grossformatiges Bild, das im Zeppelinmuseum zu Friedrichshafen zu bewundern ist, zeigt neben vielen anderen Monstern auch einen Drachen, der auf den Einsiedler einstürzt. Doch das ist die Ausnahme. Die Wesen, die den Heiligen Antonius auf älteren Bildern plagen, sind durchwegs Dämonen, Abgesandte des Teufels.

 

Aber halt, wer war dieser Antonius? Wie bei den meisten "klassischen" Heiligen ist seine Vita Legende. Als Sohn reicher und vornehmer Eltern soll er in Ägypten geboren worden sein. Mit zwanzig entsagte er dem irdischen Leben und verschenkte sein Erbe den Armen. Bald wurde er Abt, doch der Trubel im Kloster misshagte ihm. So zog er mit seiner Mönchsschar in die Wildnis. Sein Gebet schickte ihm Kamele, beladen mit Speisen. Er gründete ein Kloster, grösser als das vorige, und der Ruhm stieg ihm zu Kopfe. Ein Engel rügte ihn und sandte ihn zum Einsiedler Paulus. Dieser öffnete Antonius die Augen, schickte ihn aber zurück in das Kloster mit dem Auftrag, einst seine Stelle zu übernehmen. Als Antonius nach wenigen Tagen zur Höhle zurück kam, fand er Paulus tot. Er beerdigte ihn und lebt fortan als Einsiedler. Wie ihm Paulus prophezeit hatte, wurde er mehrfach vom Teufel versucht.



Eins mals des Nachts lag Antonius in den Gräbern, als er viele Jahre zu tun pfleget. Da kam eine große Schar der Bösen Geister zu ihm und zerrissen ihm seinen Leib, dass ihn seine Brüder da für tot auf dem Rücken in seine Zell trugen. Da beklagten ihn auch alle Menschen, die ihn sahen, und wähnten, er wär tot. Und die anderen entschliefen. Da ward er wieder lebendig und gesund, und hiess seine Jünger, ihn wieder in das Grab tragen. Und da er mit den Schmerzen darin lag, da betet er andächtiglich. Da fochten ihn die Bösen Feind wieder an und erschienen ihm in mancherlei greulicher Tiere Gestalt. Und zerrten ihn mit ihren Zähnen und Hörnern, und rissen ihn sehr mit ihren Klauen. Und da sie ihn gar gepeiniget hätten, kam ein lichter Schein und verjaget die Feinde all.

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Ein andermal kam der Teufel in Gestalt einer schönen Jungfrau. Die gab vor, sich im Wald verlaufen zu haben. Aus Angst vor der Wildnis wollte sie nächtens bei Antonius liegen. Doch der erkannte den Feind, und legte sich auf die glühenden Kohlen des Herdes. Das war denn nun auch dem Teufel zu heiss ...
Auch von einer englischen Himmelfahrt berichtet die Legende, und von anderen Begegnungen mit dem Bösen. Die Halluzinationen und Visionen des Heiligen sind wohl als Folge des exzessiven Fastens zu verstehen.

Im ausgehenden Mittelalter wurde Antonius mit einer Plage in Verbindung gebracht, die durch Jahrhunderte immer wieder ihre Opfer forderte: dem St.Antonius-Feuer. Ein unscheinbarer Pilz mit dem klingenden Namen Claviceps purpurea steckt hinter dem Unheil. Er befällt Gräser und Getreide und bildet dort eine besondere Form von Überdauerungsorgan, das Sklerotium (auch Mutterkorn genannt). Dieses enthält einen wahren Gift-Cocktail. In den Mutterkorn-Sklerotien entdeckte Albert Hofmann 1943 eher zufällig eine halluzinogene Substanz, die unter dem Akronym LSD Eingang in die Jugendkultur der 1960er- und 70er-Jahre gefunden hat. Andere Wirkstoffe des Mutterkorns verengen die Blutgefässe bis zum Absterben von Fingern und Zehen oder verursachen Krämpfe und epileptische Anfälle. Dank eines krampflösenden Alkaloids wurde Mutterkorn aber auch in der Geburtshilfe eingesetzt. Heute werden in jeder Mühle die Sklerotien sorgfältig ausgelesen. In früheren Jahrhunderten, wurden sie übersehen oder erst gar nicht beachtet – schließlich war ihre Wirkung weitgehend unbekannt. Und so wurde immer wieder mit Mutterkorn kontaminiertes Mehl zu Brot verbacken, und forderte seine Opfer.

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Die Versuchungen und Plagen, denen Antonius ausgesetzt war, waren seit jeher auch Versuchungen für die Künstler. Mathias Grünewald hat uns mit seinem Isenheimer Altar ein Meisterwerk hinterlassen, das seinesgleichen sucht. Er war ein Auftragswerk des Ende des 13. Jahrhunderts gegründeten Antoniter-Kloster, in dem Opfer der Mutterkornvergiftung behandelt wurden. Was lag also näher, als die Qualen des Schutzheiligen des Klosters darzustellen? Albtraumhaft stürmen Dämonenfratzen auf den Einsiedler ein.

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Ganz anders, aber nicht weniger meisterhaft, näherte sich Hieronymus Bosch diesem Thema. Mehrere Episoden aus der Vita des Heiligen sind auf dem Lissaboner Triptychon dargestellt. Im Zentrum steht wohl der zweite Angriff der teuflischen Scharen. Die unglaublichsten Dämonen beherrschen die Szene. Und doch ist kein leibhaftiger Angriff erkennbar. Auch wenn es scheint, als verachte der Heilige seine Umgebung, so leidet er doch Qualen der Seele. Die Teufel werden zu Inkarnationen der sündigen Wünsche, mit denen der Einsiedler in der Wildnis siegreich ringt.

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Quellen

  • Bosing, W. (1973): Hieronymus Bosch : um 1450 - 1516. Zwischen Himmel und Hölle. - herausgegeben von I.F. Walther; 96 S., Köln (Taschen), 1987.
  • NN: Von Sankt Antonius, dem heiligen Einsiedel. - in: Das Leben der Heiligen. Eine Auswahl aus der ältesten deutschen Druckausgabe von Heiligenlegenden »Das Passional«. - insel taschenbuch 892, 313 S. (21-31), Frankfurt a/Main (Insel Verlag), 1986.
  • Leider kann ich das grossartige Gemälde von Otto Dix nicht im Bild zeigen – ich würde mir wohl urheberrechtliche Probleme einhandeln.


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© MMII by J. Georg Friebe
Erstellt am 29.07.2002