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Die Tierwelt
des Arnold Böcklin



Der am 19.10.1827 in Basel als Sohn eines Textilkaufmanns geborene Arnold Böcklin erwarb sich während seiner Schulzeit am humanistischen Gymnasium fundierte Kenntnisse der griechischen und römischen Mythologie. Gleichzeitig zeigte ein ausserordentliches Interesse an der Natur, die er freilich in seinen Bildern in künstlerischer Phantasie verfremdete. Die Verbindung von Mythologie und Natur zieht sich quasi als "roter Faden" durch sein gesamtes Werk. Dass dabei aber die niedrigen Götter, die Naturgottheiten dominieren, führte zur Irritation der Kunstwissenschaftler, was einen andauernden Disput über Sinngehalt und Inhalt der Bilder zur Folge hatte.



Drache in einer Felsenschlucht
1870
Leinwand
152 x 92,5 cm
Bayer. Staatsgemäldeslg. Schack-Galerie, München

Die rauhe Felslandschaft mit Schlucht und Brücke ist - wenngleich spiegelverkehrt - einer Partie der alten Gotthardstraße nachempfunden, der Teufelsbrücke. Ursprünglich hatte Böcklin geplant, den schweizer Drachenkämpfer Struth von Winkelried mit dem Lindwurm unmittelbar vor dem Kampf darzustellen. Statt dessen zeigt das endgültige Bild eine Wandererkarawane, die vor dem aus einer Höhle kriechenden, dinosaurierartigen Drachen flüchtet. In den Nebelschwaden rechts zeigt sich als Trugbild ein weiterer Drache mit langem Hals und gespreizten Krallen. Für die Wanderer steigert sich die Schreckensvision zur Todesangst.

Bereits Goethe bemerkte 1775 über seine erste Schweizer Reise: "Hier (auf dem Gotthardweg) kostet es der Einbildungskraft nicht viel, sich Drachennester in den Klüften zu denken". Denn das Nebeneinander von Natureindrücken und extremen atmosphärischen Bedingungen (eisige Kälte oder Gewitter, nebelverhangene Felswände, schwindelerregende Abgründe, Steinschlag) sowie äußerster physischer Belastung und nervlicher Anspannung konnten bei Alpenreisen in früheren Jahrhunderten durchaus zu Sinnestäuschungen führen. Böcklin hatte dies bei seinen Alpenüberquerungen zu Fuß und in der Postkutsche selbst erlebt. Im Bild hat er seine damaligen Empfindungen dokumentiert.



Triton und Nereide
1873/74
Leinwand
105 x 194 cm
Bayer. Staatsgemäldeslg. Schack-Galerie, München

"Ein Triton, in der Mitte des sturmgepeitschten Oceans auf einer Felsklippe sitzend, stößt in sein Muschelhorn, um die anderen Meeresbewohner heranzurufen. Neben ihm ruht eine Nereide rückwärts auf dem Felsgestein und liebkost eine mächtige Schlange, die wahrscheinlich ihre Gespielin auf dem Meeresgrund ist."

Die Zusammengehörigkeit von Triton und Nereide = Mann und Frau ist augenscheinlich, auch wenn sie sich voneinander abgewandt haben. Die Zuwendung der Frau gilt der Schlange. Die erotische Deutung ist naheliegend: Die Frau schwankt zwischen Ehemann und Liebhaber.

Nach einer anderen Interpretation ist das Bild Paraphrase auf Illustrationen aus Alfred Brehms "Tierleben": Dort sind wiederholt in ähnlicher Weise auf Felsblöcken liegende Wassertiere dargestellt. Sie werden von Böcklin durch kleine, aber wohlkalkulierte Verschiebungen in der Perspektive konsequent ins Monumentale verzerrt.

Böcklin hatte von diesem Bild eine weitere Version (Nationalgalerie Berlin) sowie eine Farbskizze (Museum Oskar Reinhart, Winterthur) gemalt.



Das Schweigen des Waldes
1885
Holz
73 x 59 cm
Muzeum Narodowe w Poznaniu

Böcklin knüpft lose an den alten Mythos an, dass das scheue, einsam im Wald lebende Einhorn nur von einer keuschen Jungfrau gefangen werden kann, in deren Schoß es seinen Kopf legt. Dieses romantische Bild wird radikal verfremdet und verkehrt. Die minimalistische Darstellung des Waldes als dunkles Gewirr von Stämmen ist eher Bedrohung denn Idylle, das edle Einhorn mutiert zum Schecken mit partienweise zottigem Fell. Mit seinem erschrocken-stupid aufgerissenen Auge und den gefletschten Zähnen ähnelt es eher einem Maultier oder Esel denn einem rassigen Pferd. Und auch die Rolle von Jungfrau und Einhorn sind vertauscht: Das Mädchen reitet auf dem Tier.



Die Pest
1898
Tannenholz
149,5 x 104,5 cm
Kunstmuseum Basel, Depositum der Eidgenössischen Gottfried Keller-Stiftung

Zu Böcklins Zeiten war die Pest in Europa schon seit fast 200 Jahren unbekannt. Ihre Schrecken kannte man nur noch vom Hörensagen. Dagegen war die Cholera eine durchaus aktuelle Gefahr, gegen die es keine wirksame Therapie gab. Und am Typhus wäre Böcklin fast selbst gestorben.

Die unsichtbare Bedrohung durch die Krankheit ist im sensenschwingenden Tod symbolisiert, der als Drachenreiter frontal auf den Betrachter zu fliegt. Gegen den todbringenden Atem des Untiers ist selbst die Marienstatue in der Hausnische machtlos.

Das Bild kann aber auch in einem zeitgeschichtlichen Kontext betrachtet werden: Als Vision des Untergangs vor dem Hintergrund europäischer und kontinentaler Kriege.




Quelle

  • Lindemann, B.W. & Schmidt, K. (Red.) (2001): Arnold Böcklin. – Ausstellungskatalog "Arnold Böcklin – Eine Retrospektive": 376 S., Heidelberg (Edition Braus im Wachter Verlag).


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© MMIII by J. Georg Friebe
Erstellt am 16.04.2003