Drachen in Bregenz
Am Ostufer des Bodensees liegt zwischen Berg und See Bregenz, die Landeshauptstadt Vorarlbergs. Im 4. Jahrhundert vor Christus siedelte hier auf einer Anhöhe der keltische Stamm der Brigantier. Er gab den Namen für das römische Brigantium, das etwas abseits auf einer späteiszeitlichen Schotterterrasse gegründet wurde. Näher dem See lag die Nekropole, und wo heute Markt gehalten wird, befand sich einst der römische Hafen. Später stand auf der Anhöhe über der Stadt eine stolze Burg. Sie wurde während der Schwedenkriege zerstört, als ein Verräter die feindlichen Truppen auf einem geheimen Pfad um Stellungen in der Klause, der Engstelle zwischen Wasser und Fels, führte. Zur Strafe geistert er als "Klushund" durchs Land. Aber das ist eine andere Geschichte.
Vom See ist das moderne Bregenz durch Strasse und Bahn getrennt. Die "Unterstadt" wird von einer Geschäftsstrasse dominiert. In der Nähe befindet sich das Vorarlberger Landesmuseum, das eine Reihe sehenswerter Drachendarstellungen beherbergt – ein Muss für jeden Drachenliebhaber.
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Eine enge Gasse führt den Fussgänger hinauf in die ehemals befestigte "Oberstadt". Abseits des Trubels am See hat sie viel von ihrem historischen Flair bewahrt. Bereits an der seeseitigen Wand des Torturmes finden sich (über einem Relief der keltischen Göttin Epona) Greifen und Sphingen. Wer den Torbogen durchschreitet, vermeint über seinem Haupte einen Drachen schweben zu sehen. In Wahrheit ist es ein reichlich verschrumpelter Hai, der hier "seit urdenklichen Zeiten" als Kuriosum aufgehängt ist. |
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Doch an der linken (nördlichen) Hauswand finden wir einen wirklichen Drachen. Eine Keramiktafel zeigt im Halbrelief den berittenen Hl. Georg, der einem am Rücken liegenden Drachen seine Lanze in den Rachen stösst. Das Untier ist vierbeinig und ungeflügelt und durch einen Schuppenpanzer geschützt. Der Drachentöter trägt eine Rüstung mit einem anachronistisch anmutenden Helm.
Gegenüber wird ein eiserner Ring von einer Schlange gehalten. Schandgeige, Hubertushirsch und ein Elchgeweih sind weitere Kuriositäten im Stadttor. |
Ein paar Schritte weiter befindet sich unter dem Martinsturm, dem Wahrzeichen von Bregenz, eine Kapelle. Im Jahre 1361 aus einem Speicher entstanden, ist sie dem Schutzpatron der Stadt, dem Hl. Martin geweiht. Doch die Fresken aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zeigen auch den Hl. Georg. Dieses Bild entspricht nun unseren Vorstellungen von einem mittelalterlichen Ritter. Der Drache ist zweibeinig, mit einem langen, behaarten Vorderkörper, der nahtlos in einen ebenso langen Hals übergeht. Man rätselt unwillkürlich, wie sich solch ein Tier vernünftig fortbewegen konnte. Sein Feuerspeien nützte ihm nichts – auch ihm steckt die Lanze im Rachen. |
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Wer den Verlockungen exclusiven Restaurants widerstehen kann (oder gerade knapp bei Kasse ist) trifft am Ende der Georgenschildstrasse an einer Hauswand nochmals auf den Hl. Georg – unberitten, in der Rüstung eines Landsknechts und ohne Lanze. In seiner Rechten hält er eine Fahne, und der Drache windet sich zu seinen Füssen.
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Am Weg dorthin entdeckt man an einer Wand einen Hinweis auf die Appenzellerkriege (1408). Damals sollte – so berichtet die Sage – Bregenz erobert und so in den Bund gegen den schwäbischen Adel gezwungen werden. Der Plan dazu wurde in einer Wirtsstube zu Rankweil geschmiedet. Die Schweizer wähnten sich unbelauscht. Ein altes Weib hinter dem Ofen ignorierten sie, da sie augenscheinlich schlief. In Wahrheit hatte sie alles gehört. Als die Verschwörer dies merkten, wurde sie mit dem Tode bedroht und aus der Wirtsstube verstossen. Trotz klirrender Kälte eilte sie auf verschneitem Wege nach Bregenz. Durch ihren Eid gebunden, keiner Menschenseele von dem Anschlag zu erzählen, vertraute sie ihr Geheimnis dem Ofen an – hinter dem freilich der Stadtammann lauschte. Als Graf Wilhelm von Montfort-Bregenz von der Gefahr erfuhr, informierte er per Eilboten den schwäbischen Adel vom St.-Georgenschild. So wurden die Verschwörer von 8000 Kriegern empfangen, und die Stadt gerettet. Das alte Weiblein, Guta geheissen, erhielt zum Lohn Nahrung und Obdach. Und die Nachtwache kündete durch 404 Jahre zwischen Martini und Lichtmess die neunte Abendstunde mit dem Rufe "Ehret die Guta!" (Vonbun & Beitl, 1950). Kein Wunder, dass um den Ehreguta-Platz Georgs-Darstellungen zu finden sind! |
Quelle
- Vonbun, F.J. & Beitl, R.: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein. - 308 S., Feldkirch (Montfort-Verlag) 1950. Nachdruck Bregenz (Franz-Michael-Felder-Verein) 1980.
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© MMII by J. Georg Friebe
Erstellt am 09.06.2002
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