Lilith Adams erste Frau
26. Und GOtt sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei [...]
27. Und GOtt schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde GOttes schuf er ihn : und schuf sie als Mann und Weib.
Damit wäre das Thema "Schöpfung" erledigt: Der Mensch als Höhepunkt GÖttlichen Schaffens, zum Leben erweckt am sechsten Tage, um über die zuvor erschaffenen Tiere zu herrschen. Und doch lesen wir nur wenige Zeilen weiter eine ganz andere Version der Schöpfung. Adam kam zuerst. Doch der langweilte sich. Also schuf GOtt die Tiere, doch keines konnte Adam befriedigen.
21. Da liess GOtt der HErr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle im Fleisch.
22. Und GOtt der HErr baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm.
Dieser Widerspruch musste auffallen. Mehrere Erklärungen wurden gefunden. Lassen wir die Reihenfolge Tier – Mensch beiseite. Als Mann und Weib schuf GOtt den Menschen. Und später nahm er eine Rippe dieses Menschen und formte daraus die erste Frau. Die Lösung ist naheliegend : Der erste Mensch war ursprünglich Zwitter, und trug weibliche wie männliche Merkmale in sich (was konsequent bedeutet, dass auch GOtt Zwitter sein muss, denn "zu seinem Bilde" ...). Mit der Rippe wurde Adam das Weibliche genommen, und er wurde zum "ganzen Mann". (Und nun singt Österreichs Kulturbotschafter: "Es ist dieses Wippen / an den weiblichen Rippen" – nur so zur Erklärung der Symbolik dieser vermeintlich unweiblichen Knochen!).
|
|
Aber es gibt andere Lesart: Eva war nicht die Erste. Als Mann und Weib wurde der Mensch geschaffen, und der Mann hiess Adam, und das Weib hiess Lilith. In der Bibel ist sie nur einmal kurz erwähnt, doch die jüdische Tradition kennt zahlreiche Überlieferungen über Adams erste Frau. Lilith sah sich Adam gegenüber als gleichwertig – wie er war sie aus Lehm geschaffen, wie ihm wurde ihr der GÖttliche Odem eingehaucht. Wäre alles kein Problem gewesen, verlangten nicht die klassischen Sexualpraktiken, dass ein Partner unten liegt und sich damit unterwirft. Lilith wollte sich nicht mit dieser Rolle abfinden. Der erste Ehestreit der Menschheit war die Folge - und die Frauenbewegung hat bis heute eine Identifikationsfigur. Es kam wie es kommen musste: Lilith sprach den verbotenen Namen GOttes und entschwand durch die Lüfte. Selbst drei Engel konnten sie nicht zur Rückkehr bewegen. Adam sah sich nach anderwärtigen Sexualkontakten um, was letztendlich zur Erschaffung Evas führte.
Selbstverständlich war Lilith eifersüchtig auf ihre Nebenbuhlerin, die sich noch dazu mit ihrer Rolle als Unterliegende abgefunden hat. Sie nahm Rache. Als Schlange im Paradies erscheint sie uns wieder, und Eva fiel auf ihre betörenden Worte herein. Der Rest der Geschichte ist bekannt.
|
Doch wer ist diese Lilith? Als dämonisch-schönes Wesen wird sie beschrieben, das als Succubus Männer im Schlafe verführt. Als eifersüchtig-rächende Dämonin trachtet sie, Neugeborene zu töten. In der Kabbala erscheint sie als Partnerin Satans und Königin im Reich des Bösen. Als Hybridwesen, als Mischwesen zwischen Mensch und Schlange, ist sie eine Drachin im weiteren Sinn.
In der Häutung verjüngt sich die Schlange, und so wird Lilith unsterblich. Der Baum des Lebens – nebbich! Auch Gut und Böse sind in ihrer Natur als Drachin vereint. Den Sündenfall hat sie durch ihre Verführungskünste ermöglich, um gleichzeitig als Aussenstehende den Verderb der Menschheit zu betrachten. Dies alles geht sie nichts an. Und doch wird sie von GOtt verflucht:
14. [...] Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang.
15. Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinen Nachkommen und ihren Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.
Auch wenn die Bibel am Bild der Schlange festhält: Die Feindschaft zwischen der Menschheit und der Dämonin Lilith perpetuiert sich in diesem Fluch. Nur Amulette und Zauber können den Menschen schützen. Die Namen der drei Engel bannen die Dämonin ebenso wie ihr eigener Name. Auf Papier geschrieben werden sie übers Bett gehängt, als Metallamulette werden sie um den Hals getragen.
|
|
|
Quellen
- Die Bibel: 1. Mose 1. 26-27; 1. Mose 2. 21-22; 1. Mose 3. 14-15.
- von Heyl, A. (1995): Lilith – Die erste Frau Adams. – in: Schmelz, B. & Vossen, R.: Auf Drachenspuren. Ein Buch zum Drachenprojekt des Hamburgischen Museums für Völkerkunde. 102-109, Bonn (Holos Verlag).
- Wenzel, E. (1999): Lilith. – in: Müller, U. & Wunderlich, W. (Hrsg.): Dämonen, Monster, Fabelwesen. - Mittelaltermythen Bd. 2: 395-402, St. Gallen (UVK, Fachverl. f. Wiss.u. Studium).
- [Ansichtskarte]: Wien, Kunsthistorisches Museum. Hugo van der Goes, Der Sündenfall. Um 1470.
- [Foto]: Der Sündenfall. Relief an der Pfarrkirche Eferding - © J. Georg Friebe.
[ Auswahl | Home ]
© MMII by J. Georg Friebe
Erstellt am 05.07.2002
|